«Der Austausch zwischen Forschenden, Züchter:innen und Bevölkerung ist entscheidend»
Der Klimawandel erfordert resiliente Pflanzen. Neue Züchtungsmethoden könnten helfen, wenn Wissenschaft, Gesellschaft und Politik zusammenwirken. NFP 84 adressiert diese Herausforderungen. Interview mit Prof. John Pannell.
Welche Herausforderungen der Landwirtschaft adressiert NFP 84?
NFP 84 wird das Potenzial neuer Züchtungsmethoden (New Breeding Technologies, NBT) für die Entwicklung von Pflanzen untersuchen, die nachhaltig angebaut werden können. Zum Beispiel könnte der Einsatz von NBT neue Sorten erzeugen, die gegenüber lokalen Schädlingen und Krankheiten resistent sind und somit weniger Pestizide erfordern. Das Versprechen der NBT besteht darin, Pflanzensorten mit neuen umweltfreundlichen Eigenschaften hervorzubringen, die gleichzeitig ihre bewährten Merkmale erhalten und für die Schweizer Landwirtschaft und Verbraucher geeignet sind. Ältere Technologien haben bereits ermöglicht, neue wünschenswerte Eigenschaften zu entwickeln. Sie bergen jedoch das Risiko, Pflanzen auf unerwünschte Weise zu verändern.
Welche weiteren Herausforderungen adressiert NFP 84?
Das Programm hat zudem zum Ziel, die gesellschaftlichen Dimensionen der Einführung von NBT in der Schweiz zu bewerten, da diese Dimensionen für das Programm ebenso wichtig sind wie die technischen Aspekte. Wir müssen verstehen, wie die Schweizer Öffentlichkeit, einschliesslich unterschiedlicher Anspruchsgruppen, vom Landwirt bis zum Verbraucher, die potenziellen Vorteile und Risiken von NBT wahrnehmen. Es gibt gute Gründe für die Annahme, dass NBT den konventionellen Züchtungsmethoden überlegen sind. Die Öffentlichkeit reagiert jedoch erfahrungsgemäss eher skeptisch auf Verfahren, die eine Genveränderung im Labor beinhalten. Im Gegensatz jedoch zu früheren sogenannten transgenen Ansätzen, bei denen Gene von einer Art auf die andere übertragen werden, beinhalten NBT ganz andere Methoden. Dementsprechend könnte auch die Öffentlichkeit sie anders betrachten. Der Informationsfluss zwischen Wissenschaftlern, Züchtern und Öffentlichkeit ist entscheidend.
Was macht NBT so anders?
Frühere Gentechnik-Verfahren beruhten auf sehr kostspieligen Systemen, die nur einem begrenzten Kreis von Wissenschaftlern und Züchtern zugänglich waren. Im Gegensatz dazu nutzen die NBT, die im Mittelpunkt des NFP 84 stehen, insbesondere die CRISPR/Cas9-Methode. Für deren Entwicklung vor 13 Jahren haben Jennifer Doudna und Emmanuelle Charpentier 2020 den Nobelpreis erhalten. CRISPR/Cas9 und ähnliche Methoden sind innovativ, weil sie sehr präzise Mutationen ermöglichen, die sich nicht von jenen unterscheiden, die zufällig in der Natur vorkommen. Vor allem wird dabei kein fremdes Genmaterial auf Pflanzen übertragen. In der Pflanzenentwicklung ermöglichen sie deshalb sehr genaue Veränderungen. So kann zum Beispiel bewährten Sorten eine bestimmte Krankheitsresistenz verliehen werden. Gleichzeitig besteht eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass andere wertvolle Merkmale erhalten bleiben. Die Genauigkeit von NBT, aber auch ihre unkomplizierte und kostengünstige Anwendung machen sie zu einem wahren Gamechanger für die Pflanzenzüchtung.
Werden die neuen Pflanzenzüchtungssysteme bereits international eingesetzt?
Ja, in anderen Ländern werden neue NBT bereits angewendet. Ihre Anwenderfreundlichkeit hat mittlerweile zur Veränderung von mehr als hundert Pflanzenarten geführt, unter anderem von Grundnahrungsmitteln wie Weizen, Reis und Mais. Durch diese Veränderungen konnten Merkmale wie Ertrag, Geschmack, Nährstoffgehalt und Krankheitsresistenz verbessert werden. Krankheitsresistente Pflanzen können den Pestizideinsatz potenziell verringern und damit zur Nachhaltigkeit der Landwirtschaft und zum Schutz der Artenvielfalt beitragen. Da NBT weltweit zunehmend eingesetzt werden, muss sich die Schweiz mit ihren potenziellen Vorteilen, Nachteilen und gesellschaftlichen Auswirkungen, auch vor dem Hintergrund von Regulierungen, auseinandersetzen.
Welche regulatorischen Herausforderungen kommen auf NBT zu?
Ein wichtiger Schwerpunkt unseres Programms ist die Analyse der komplexen NBT-Regulierungen in der Schweiz und im Ausland. Das Programm wird die Eignung des aktuellen Schweizer Rechtsrahmens für die Regulierung von NBT prüfen und sich über aktuelle regulatorische Änderungen in der EU und in anderen Ländern fortlaufend informieren. In diesem Sinne ist das Programm hochaktuell für Forschende, die sich für die Politikformulierung und die rechtliche Situation interessieren. Die erzielten Ergebnisse sollen dann idealerweise zu einem partizipatorischen Austausch mit Gesetzgebern führen. Mittel- und längerfristig wird die Forschung von NFP 84 wertvolle Erkenntnisse liefern, die die Schweizer Politik dabei unterstützen, die Wissenschaft, die wirtschaftlichen Folgen, sowie die Bedenken der Anspruchsgruppen besser zu verstehen, vom Landwirt bis zum Verbraucher. Diese Erkenntnisse werden auch der Regierung bei der Entwicklung neuer Richtlinien helfen, die Anreize für innovative Pflanzenzüchtungsmethoden setzen und gleichzeitig die Risiken für Biosicherheit und Umwelt auf ein akzeptables Niveau halten. Bei der Bewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses ist es wichtig, NBT mit anderen aktuellen agrarökonomischen Praktiken zu vergleichen, von denen einige nachweislich der Umwelt schaden.
Sind Auswirkungen auf landwirtschaftliche Innovationen zu erwarten?
Ja, NFP 84 hat sowohl direkte als auch indirekte Folgen für die Schweiz. Direkt wird das Programm Projekte fördern, die NBT verwenden, um speziell für die Schweizer Landwirtschaft geeignete Pflanzen zu entwickeln. Davon könnten Landwirte, die Umwelt und die Verbraucher profitieren. Zudem könnte die innovative Forschung die künftige Pflanzenzüchtung beeinflussen und die Fähigkeiten der Schweizer Wissenschaftler unter Beweis stellen. Neben den wissenschaftlichen Fortschritten will NFP 84 indirekt auch das Verständnis dafür stärken, wie verschiedene Anspruchsgruppen – einschliesslich Landwirten, Umweltmanagern und Verbrauchern – NBT und die daraus hervorgehenden Pflanzen wahrnehmen. Um von diesen Technologien jedoch umfassend zu profitieren, müssen die Bedenken der Anspruchsgruppen aufgegriffen und Wissenslücken geschlossen werden, um sowohl die Wissenschaft als auch die Gründe für mögliche Vorbehalte in der Öffentlichkeit besser zu verstehen.
Baut NFP 84 auf den Zielen und Ergebnissen von NFP 59 («Nutzen und Risiken der Freisetzung genetisch veränderter Pflanzen») auf?
NFP 84 hat zwar einige Gemeinsamkeiten mit NFP 59, der Schwerpunkt ist jedoch ein anderer. Insbesondere hat sich NFP 59 mit der bewussten Übertragung von fremdem Genmaterial auf Pflanzen und der anschliessenden Freisetzung der genetisch veränderten Pflanzen befasst. Dagegen liegt der Fokus von NFP 84 auf der landwirtschaftlichen Nachhaltigkeit in einer Welt, in der der Klimawandel rasch voranschreitet. Auch beschäftigt es sich damit, wie eine neue Form der Pflanzenzüchtung zu mehr Nachhaltigkeit beitragen könnte. NFP 84 unterscheidet sich zudem von NFP 59 darin, dass es nicht nur wissenschaftliche und landwirtschaftliche Aspekte, sondern auch die gesellschaftlichen und rechtlichen Folgen der neuen Methoden betrachtet.
Wie wird NFP 84 auf gesellschaftliche Bedenken bezüglich NBT eingehen?
Der Umgang mit gesellschaftlichen Fragen ist ein wichtiger Schwerpunkt von NFP 84, da die erfolgreiche Einführung einer neuen Technologie in der Schweizer Landwirtschaft von der Akzeptanz der Bevölkerung abhängt. Das Programm wird sich sowohl mit der Begeisterung für als auch mit dem Widerstand gegen die neuen Technologien befassen. Auch wird es erforschen, wie Menschen die Sicherheit und Vorteile von Prozessen, die sie möglicherweise nicht vollständig erfassen, gegenüber ihren möglichen Nachteilen abwägen können. Das Programm soll somit ein besseres Verständnis für die Wissenschaft fördern und es der Öffentlichkeit, Gesetzgebern und Regulierungsbehörden ermöglichen, Nutzen und Risiken auf informierte Weise abzuwägen.
Das Originalinterview wurde in englischer Sprache geführt.